In zehn bis fünfzehn Jahren hat die heutige Generation X die Rolle der „Ältesten“ inne, die „Baby-Boomer“ befinden sich dann im wohlverdienten Ruhestand. Eine neue Generation setzt den Fuß in die Arbeitswelt, deren Bedürfnisse und Haltungen noch im Verborgenen scheinen: die Generation Alpha.

Welchen Einfluss nimmt die Generation Alpha auf die Firmenkultur der Zukunft? 
Worauf müssen sich Führungskräfte einstellen? 
Wie gelingt dann das Zusammenspiel der Generationen?

Die Demografieberatung für Beschäftigte+Betriebe, Mag. Dr. Thomas Duschlbauer und Mag.a Dr.in Barbara Covarrubias Venegas verzeichnen bereits erste Trends.

Generationengerechte Arbeitswelten berücksichtigen gleichermaßen die Bedürfnisse der Mitarbeiter*innen 50plus als auch die der jüngeren Generationen X bis Z und auch der „Alphas“. Um erfolgreich zu bleiben, müssen Unternehmen eine Firmenkultur schaffen, in der sich alle gleichermaßen wohlfühlen und niemand diskriminiert wird. Dies ist kein Zukunftsthema, die Weichen sind heute schon zu stellen. Bespaßung, Aktionismus und Obstkörbe werden künftig nicht ausreichen. Denn es gilt, mehr Handlungsspielräume zu eröffnen, in denen kreativ, explorativ und experimentell gearbeitet werden kann.

Definition einer neuen Generation

Als Generation Alpha werden all jene Menschen bezeichnet, die ab 2010 geboren sind. Sie ist also die erste, die vollends im 21. Jahrhundert aufwächst. Namensgeber ist der australische Sozialforscher Mark McCrindle. Für ihn stellt der Schritt von Generation Z auf Alpha auch den bedeutendsten Sprung der Geschichte dar. Denn Generationen sind immer geprägt von den jeweils verfügbaren Technologien in ihrem Jugendalter. Bei den Generationen Y („Millennials“) und Z sind es das Internet bzw. das Smartphone. Für die Generation Alpha gibt es kein so eindeutiges Merkmal zur klaren Abgrenzung. Alpha zeichnet sich vor allem durch ihre Wertehaltung aus, den bewussteren Umgang mit sich und der Umwelt und wie sie sich diese zunutze macht.

 

„Wenn diese Generation schlau ist, dann wird sie sich ihren Freiraum wieder zurückholen und nicht einfach nehmen lassen.“

Neue Erfahrungsräume werden wichtiger

In einer Umwelt, in der die Grenzen zwischen realen, virtuellen und erweiterbaren Realitäten zusehends verschwimmen, wird es essenziell, die Generation Alpha nicht bloß passiv an dieser Welt teilhaben zu lassen, sondern ihr genügend Erlebnis- und Erfahrungsräume zu schaffen. „Diese Generation wird eine ganz neue Selbstverständlichkeit von Digitalem und der Digitalisierung haben“, so der Kommunikations- und Kulturwissenschaftler Mag. Dr. Thomas Duschlbauer.

Als Beispiel nennt Duschlbauer Lego®. Früher stand dabei das freie und kreative Gestalten mit den bunten Bausteinen noch im Vordergrund, wobei es auch um das Prinzip von Versuch und Irrtum ging. Heute gibt es vom Hersteller bereits Apps für Baupläne und Steuerungen, die die Spiel-Räume zu einem gewissen Grad festlegen bzw. einschränken und aus den Bausteinen eher Bausätze werden lassen. „Eltern, die ihren Kindern Bausteine schenken, machen das ja vielleicht auch deshalb, weil sie nicht wollen, dass sie die ganze Zeit mit dem Handy spielen, weshalb sie dieses Spielzeug dann eher meiden.“

Duschlbauer sieht hier eine Gegenströmung entstehen: Menschen werden wieder aktiv nach Möglichkeiten suchen, sich zu erproben und kreativ zu verwirklichen, jenseits digitaler Angebote. Denn wenn eine Maschine vieles abnehmen und erledigen kann, muss sich die Generation Alpha neue Handlungsräume schaffen, um die eigenen Talente zu entdecken und auszuleben. „Und wenn diese Generation schlau ist, dann wird sie sich diesen Freiraum wieder zurückholen und nicht einfach so nehmen lassen“.

Partizipation, neue Arbeitswelten und CSR

Die Generation Alpha zeigt sich bereits partizipativer und mit einem größeren Wunsch nach Veränderung als ihre Vorgängergenerationen. Nach einer Studie der Kommunikationsagentur Hotwire aus dem September 2019 sieht die Generation Alpha Prioritäten in der Schaffung einer Welt, die auf ihre Umwelt achtet, in der Kinder sicher sind, in der alle genug zu essen haben und Menschen unabhängig ihrer Herkunft oder Äußerlichkeiten fair behandelt werden. Sozial-, gesellschafts- und umweltkritische Themen rücken also stärker in den Vordergrund als bisher.

Wie andere Technologien haben wir digitale Technologien bislang bedient, und nur wer diese Rolle des „Be-Dieners“ einnehmen konnte, war auch in der Lage, Technologie zu beherrschen.  Die Erfahrung der Generation Alpha wird eine völlig andere sein: Ihr steht aller Voraussicht nach eine autonome Technologie gegenüber. Menschen bedienen nicht mehr die Maschinen, sondern wir werden von den Maschinen „rundumbedient“. In der Arbeitswelt wird sich die Generation Alpha ihre Nische im Kontext von Künstlicher Intelligenz und Robotern suchen müssen und es werden wohl jene im Vorteil sein, welche unterstützt durch ihre Erziehung oder Ausbildung, in der Lage sind, noch kreativ mit Aspekten wie Vielfalt, Ambiguität oder Ironie agieren zu können.

 

Keine homogene Gruppe: Vielfalt und Diversität prägen diese Generation wie keine zuvor

Generation Alpha aus Sicht der Demografieberater*innen:
Vielfalt und neue Werte

Die Berater*innen der Demografieberatung sind täglich in den Unternehmen mit dem Generationenthema konfrontiert. Die Herausforderungen, die die Führung unterschiedlicher Generation darstellt – mit all ihren verschiedenen Werten, Einstellungen, Erfahrungen und Bedürfnissen – ist in den Betrieben angekommen. Aus diesem direkten Kontakt mit der Welt der Mitarbeiter*innen und Führungskräften haben die Berater*innen Anfang 2020 ihre Eindrücke und Einschätzungen gesammelt, wie eine künftige Generation Alpha im Arbeitsleben ausmachen werden.
Bereits absehbar ist, dass die Generation Alpha keine homogene Gruppe sein wird. Vielfalt und Diversität prägen diese Generation wie keine zuvor.

Diese Altersgruppe wird nicht mehr so konsumgetrieben sein wie frühere Generation, ein stärkeres Umweltbewusstsein prägt die Wertewelt. Reisen wird nicht mehr so selbstverständlich, Besitz als Gradmesser für den eigenen Wert spielt keine so große Rolle mehr. Die Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung der Unternehmen wird stärker beachtet und spielt bei der Wahl der Arbeitgeber*innen eine noch stärkere Rolle als bisher. Die zunehmende Digitalisierung wird zu Gegenbewegungen führen, die den persönlichen Kontakt wieder stärker in den Vordergrund rückt. Teams sind nach wie vor wichtig, auch wenn die Zusammenarbeit vielfältiger wird und der Einsatz von Technologien selbstverständlicher. Der face to face-Kontakt –  tatsächlich und nicht nur per Videochat – stellt einen wertvollen Aspekt im Leben dar und wirkt der „vernetzten Einsamkeit“ entgegen: Menschliche Kontakte als Erlebnis- und Erfahrungsquellen.

Mentoring statt klassischer hierarchischer Führung fügt sich hier gut ins Bild. Agile Gruppen erleben disruptive Entwicklungen als alltäglicher als heutige Generationen. Doch auch für die Generation Alpha wird sich nicht alles verändern, vielmehr wird es noch mehr Optionen, unterschiedliche Lebenskonzepte, neue Wohn- und Arbeitsformen nebeneinander geben. Dies steigert die Wahlmöglichkeiten, zwischen denen es sich zu entscheiden gilt. Einige Berater*innen sind der Ansicht, dass diese Wahlmöglichkeiten für die einen eine willkommene Auswahl darstellen, andere aber in Überforderung münden – diese Personen werden sich dann wieder Rollenvorbilder suchen, was möglicherweise in einer neuen Etablierung starrer Rollenbilder enden könnte.

Unternehmenskultur in neuen Arbeitswelten

Der Wandel hin zu Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft verändert die Arbeitsweisen und Prozesse. Selbstorganisierte Teams, Projektarbeit und Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Gruppen gewinnen an Bedeutung. Aber auch die Mitarbeiter*innen fordern neue Arbeitsweisen ein: Mitbestimmung, Flexibilisierung und Work-Life-Balance. Es bedarf veränderter Rahmenbedingungen in den Betrieben und ganz besonders einer Unternehmenskultur, die eine solide Basis für bilden für autonome, multidisziplinäre Teams. Eine Studie (Jaitner & Covarrubias Venegas 2019) untersuchte, inwiefern sich der Grad an Flexibilität in einer Organisation auf die Beschäftigungsfähigkeit auswirkt. Die Ergebnisse zeigen, dass das Ausmaß an Eigenverantwortung einen signifikant positiven Einfluss u.a. auf das berufliche Engagement und den subjektiven Erfolg der Mitarbeiter*innen hat. „Eine Unternehmenskultur, welche Partizipation fördert, aber auch die Mitarbeiter*innen vermehrt in die Selbstverantwortung entlässt, ist hier meiner Ansicht nach wesentlich“, so Mag.a Dr.in Barbara Covarrubias Venegas von der Universität Valencia.

Die Unternehmen haben sich jedenfalls darauf einzustellen, dass die Unterschiede zwischen den Generationen nicht weniger werden. Sie sind gut beraten, sich bereits heute generationensensibel mit ihren Mitarbeiter*innen umzugehen und darauf zu achten, dass diese gut miteinander arbeiten können. Heute stellen sie die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft, in der alle Generationen Platz haben – auch jene, die heute buchstäblich noch in den Kinderschuhen stecken.

Mag. Dr. Thomas Duschlbauer

ist Publizist, Kommunikations- und Kulturwissenschaftler. Er hat Professuren an der Johannes-Kepler-Universität Linz, der Fachhochschule St.Pölten und der Fachhochschule Hagenburg. Weiters ist er als Unternehmensberater tätig

Mag.a Dr.in Barbara Covarrubias Venegas

ist Professorin an der Universität Valencia. Sie ist Expertin für lebensphasenorientiertes Personalmanagement.
Schwerpunkte ihrer Forschungen: Age Diversity/ Diversity, Organisationskultur, flexible Organisations- und Arbeitswelten, interkulturelles Management, HR Role Models und HR Kompetenzen.

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